Ein Sieg der Homogenität
FONO FORUM | 07/2010

Was ist Transparenz in der Musik? Wenn man sich im Dschungel der Mehrstimmigkeit sicher geführt weiß? Wenn man auch ohne Noten in der Hand einem Stück folgen kann? Wenn die Struktur nachvollziehbar bleibt? Annegret Klenke, Beate Hartmann, Yvonne Uhlemann und Ruth Kaltenhäuser bilden seit knapp zwei Jahrzehnten ein festes Team – als Streichquartett. Nun haben sie die drei Quartette von Peter Tschaikowsky sowie, verstärkt durch Harald Schoneweg und Klaus Kämper, das Sextett op. 70 („Souvenir de Florence“) aufgenommen. Diese Aufnahme ist dazu angetan, den Begriff „Transparenz“ erfahrbar zu machen. Schon im Kopfsatz des ersten Quartetts werden die Eigenschaften des Damen-Ensembles hörbar: Ein kluger, dosierter Umgang mit dem Vibrato, außerdem bleibt jede Stimme für sich erkennbar und ordnet sich dennoch dem Gesamtverbund unter. Das ist keine Frage der Demut, sondern der Organisation. Und die funktioniert tadellos. Man muss nur die Coda hören, schon wird klar, wie hier analytisch umsichtiges Vorgehen und emotionale Umsetzung eine Einheit bilden. Das Schlichte im langsamen Satz von op. 11 oder die monumentalen Proportionen im ersten Satz von op. 30 gelingen eindrucks-, weil auch geschmackvoll. Hier wird nicht krampfhaft das romantische Rad in Schwung gehalten oder das Sentimentale plakativ in den Vordergrund gestellt. Es ist ein nie spektakulärer, insgesamt wunderbar ausgewogener, schnörkelloser und zugleich beredter Vortrag: ein Sieg der Homogenität. [...]
TIPP!
Christoph Vratz