Ein Hauch über dem Boden
Badische Zeitung
Kompositionen von Joseph Haydn, Benjamin Britten und Franz Schubert standen auf dem Programm des Klenke Quartetts in Schloss Bonndorf. Annegret Klenke und Beate Hartmann, Violine, Yvonne Uhlemann, Viola, sowie Ruth Kaltenhäuser, Cello, spielten dieses Programm auf Zehenspitzen, die immer einen hauchbreit über dem Boden schwebten, mit einem unverwüstlichen Urvertrauen, das allen Gefühlsanfechtungen letztlich ungefährdet standzuhalten vermag, wie heftig sie sich auch im Einzelnen gebärden. Ganz symptomatisch für diesen Interpretationsansatz spielte das Quartett auf das Drängen des rhythmisch applaudierenden Publikums danach seine Lieblingszugabe, Henry Purcells Chaconne in G, einen zart dahingleitenden Klangfluss, aus dem das Cello kurz emporwallt, um sogleich wieder eingebettet zu werden in das Kontinuum feinfühliger Ausgewogenheit.
Hochdifferenziert im Umgang mit Tempo und Dynamik begannen die vier Künstlerinnen das sogenannte "Quintenquartett" von Joseph Haydn. Dabei wirkte ihr Spiel sehr griffig, präsent, von starkem Selbstbewusstsein durchströmt. Das Andante glich in der bestechenden Grazie der tonangebenden ersten Geige, galant umworben von den drei übrigen Instrumenten, einem zeremoniellen Empfang bei Hofe. Wie ein alter Griesgram, in unablässiger Wiederholung rechthaberisch trotzend, kam dagegen das Menuetto daher, von den hohen Tönen der Geige im Trio liebevoll belächelt. Einem nuancenreichen Gespräch nahezu gleichwertiger Partner ließen die Vier das Publikum im Finale des Haydnquartetts beiwohnen.
Das erste Stück der 1936 entstandenen "Drei Divertimenti" Benjamin Brittens, ein Marsch, stimmte sich sozusagen Ton um Ton auf seinen ihm eigenen Rhythmus ein, nahm mit prägnanten Strichen immer mehr Fahrt auf, wobei die vier Instrumentalistinnen indes bei aller kecken Ausformung immer die anfängliche Grundlage durchhören ließen. Wie von einem leichten Wind sanft zerteilt und in die Ferne getragen wehte Praterseligkeit beim zweiten Stück durch den Raum. Eine durch die Konfrontation mit den übrigen Instrumenten ironisierte Cellokantilene federten die Musikerinnen im sanften Wogen der träumerischen Stimmung am Ende dieses Walzers ab. Hitzig und exaltiert gebärdete sich dagegen die abschließende Burleske.
Ganz in sommerliche Abendstimmung gehüllt erklang nach der Pause Franz Schuberts "Rosamunde"-Quartett. Die leichten Irritationen in Form polyphoner Stimmeneinsätze, die sich im Allegro immer deutlicher hervorwagten, wurden von den Künstlerinnen stets wieder behutsam zurückgeführt ins weiche Bett der harmonischen Grundstimmung, so dass die untergründig spürbare Spannung nie den fragilen Liebreiz zu zerstören vermochte, wenngleich die traurigen Töne sich bei jedem neuen Anhub zu verstärken schienen. Im Andante woben die vier Instrumentalistinnen einen weichen, ganz Geborgenheit vermittelnden Klangteppich, während dem Menuetto ein Hauch von Trübsal anhaftete, der sich weder durch das Zuversicht verbreitende Trio noch durch die wiederholte Wendung des mahnenden Cellos ins Leichte, Luftige vertreiben ließ. Das Allegro moderato schließlich reihte Argument an Argument, Bitte an Bitte, zunächst leicht fordernd, dann immer stärker insistierend – zwar keine Musik am Abgrund, wie die Kompositionen Schuberts oft verstanden werden, aber bei aller zarten Abgehobenheit eben doch romantisches Sehnen ohne strahlendes Happy End.